Im FoCus: Sam Tho Duong

Sam Tho Duong
2002 habe ich Sam Tho Duong kennen gelernt. Er hatte gerade sein Schmuckstudium in Pforzheim abgeschlossen, und wir präsentierten begeistert seine Kirschkernarbeiten bei Friends of Carlotta. Fünf Jahre später organisierte ich die erste Einzel-Ausstellung von Sam Tho Duong bei Friends of Carlotta: THE MAGIC OF GINGER. In über 50 atemberaubenden Arbeiten entfaltete die Ingwerwurzel ihr Aroma nicht auf dem Teller, sondern zierte das Revers oder knospte am Hals. Heute gehört Sam Tho Duong zu den ganz Grossen der internationalen Schmuckkunst und begeistert und inspiriert mit seinen unverkennbaren Arbeiten weltweit. Trotz des grossen Erfolges ist er derselbe geblieben. Noch immer zeichnet ihn die gleiche neugierige Lust am Entdecken des Unscheinbaren aus. Selbst das langweiligste Ausgangsmaterial erfährt durch seine Hand, was in ihm steckt – ein berückendes Objekt der Begierde.

Sam Tho Duong fühlt sich magisch angezogen von Dingen, denen wir normalerweise kaum Beachtung schenken. Behutsam, mit viel Respekt und feinem Humor, ergründet er den Gegenstand seines Interesses. Seine Neugier ist erst befriedigt, wenn er das Innerste freigelegt hat und die Stücke aus ihrem alltäglichen Zusammenhang befreit sind. Sie nun mit unvoreingenommenem Blick in einen neuen Kontext zu bringen und ihrer schmucken Bestimmung zuzuführen, ist für Sam-Tho Duong logische Konsequenz: Aus Avocadoscheiben stülpen sich plötzlich Ringe, Kirschsteine mutieren zu kostbaren Perlen, Klopapier oder Actimel-Fläschchen zu üppigen Halskrausen oder reich verzierten Blumenbroschen.

Für die fantastische FROZEN-Perlenwelten (Abbildung) inspirieren Sam Tho Duong raureife Schönheiten mit ihren fragilen, zauberhaften Kristallen. Dieses Naturphänomen auf Schmuck zu bannen ist ihm mehr als perfekt gelungen, ohne dass er dabei der Gefahr erlegen ist, die Natur bloss zu imitieren. Seine FROZEN-Arbeit ist wohl eher Natur 2.0: In weichen Wellen schaukeln hunderte kleiner Süsswasser-Reiskornperlen, die keck aus prallen Kugeln spriessen. Dabei könnte das lebendige Spiel der sanften Farbnuancen subtiler nicht sein. Sam Tho Duongs kunstvolle Anordnung der Perlen zaubert Licht und Schatten, Volumen und Tiefe.

2013 organisierte das Victoria and Albert Museum in London zusammen mit der Qatar Museum Authority Exhibition eine Ausstellung über Perlen, in der auch eine Kette aus der FROZEN-Arbeit von Sam Tho Duong zu sehen war. Damit nicht genug: Das Bild der Kette zierte nicht nur die vielen Ausstellungsplakate, die in London hingen, sondern auch das Cover des Buches zur Ausstellung. Wer die Arbeiten von Sam Tho Duong kennt, ist davon nicht überrascht, denn seine Schmuckstücke haben immer auch einen hohen künstlerischen Anspruch.

Sam-Tho Duongs Schmuckstücke erweitern unsere Wahrnehmung für alltägliche Dinge. Sie strahlen die zauberhafte Schönheit des Unbekannten aus und wirken dabei doch so vertraut, als kennte man sie schon ewig.

Bruna Hauert, Mai 2022

Sam Tho Duong wurde 1969 in Bien Hoa, Vietnam, geboren und kam im Alter von 12 Jahren mit seiner grossen Familie als Flüchtling nach Deutschland.
Nach seiner Ausbildung zum Goldschmied arbeitete er während fünf Jahren als Goldschmied. 1998 - 2002 studierte er an der Hochschule für Gestaltung Pforzheim und schloss als Diplom-Designer (FH) ab.
Seit 2002 ist Sam Tho Duong freischaffender Designer und gehört inzwischen zur Elite der internationalen Schmuckkunst. 2015 wurde er zum 6. Hanauer Goldschmiedepreisträger ernannt. Seine Arbeiten haben zahlreiche Preise gewonnen, sind in den renommiertesten Galerien weltweit ausgestellt und in vielen Museen und Sammlungen vertreten (z.B. Schmuckmuseum Pforzheim, Victoria & Albert Museum in London oder Museum of Arts & Design in New York).