Ein Fliegenschwarm

Peter Bauhuis
In Zeiten von Covid-19 will Peter Bauhuis einen Schwarm um die Welt schicken, der „netter ist als der, über den wir alle reden….“
Mehrere Ausstellungen und damit verbundene Reisen hatte Peter Bauhuis bereits geplant, doch dann kam Corona und der Lockdown, und er hat – statt selbst zu fliegen – die Fliege für sich entdeckt. Attribute, die der Fliege zugeschrieben werden wie Beharrlichkeit, Nervenstärke, Ausdauer und Geduld treffen auch bei Peter Bauhuis ins Schwarze. Dazu kommt seine unersättliche Neugier, die sich nicht auf unkonventionelle Materialexperimente und die Suche nach der perfekten Form beschränkt. Peter Bauhuis ist auch ein begnadeter Geschichtenerzähler, der lustvoll unglaubliche Fakten (wie z.B. die Würzburger Lügensteine* in seiner Fliegenarbeit) und glaubhafte Fiktionen (wer findet sie?) zu einem unterhaltsamen making-of verweben kann.

Die reduzierten, archaisch anmutenden Fliegenobjekte in Silber, Gold und Bronze von Peter Bauhuis haben mich im Sturm erobert. Zwei Flügel und ein Kopf reichen seinen Fliegen, um schön, anmutig, rätselhaft, weiblich, verführerisch und auch überaus schmückend zu sein.
Seine amüsante Fliegenanthologie und meine eigenen Recherchen über Fliegen für diese Ausstellung haben meinen Blick auf dieses kleine Wunder der Natur stark verändert. Die Fliegenklatsche wird vorerst entsorgt.

Am Samstag 15. Mai landet ein Ableger des Fliegenschwarms auch in Zürich. Die Fliegen werden begleitet von einer von Peter Bauhuis herausgegebenen Publikation – eine unterhaltsame Fliegenanthologie in Form eines einfachen Taschenbuchs (Deutsche und separate Englische Version). Jede Fliege ist ein Unikat und heiss begehrt. Es hätt, solangs hätt…

Wir freuen uns auf ein persönliches Wiedersehen. Bleib gesund und fröhlich.

Herzliche Grüsse
Bruna Hauert




PS: Fliegen zum Lieben:

- 250 Bilder in der Sekunde kann eine Fliege verarbeiten – unser Gehirn schafft gerade
mal ca. 60 Bilder pro Sekunde. Deshalb ist es so viel einfacher, einen Menschen mit einer
Fliegenklatsche zu treffen als eine Fliege.

- Fliegen in Form kleiner Broschen wurden den Soldaten im alten Aegypten als
Orden für besondere Hartnäckigkeit verliehen. Fliegen galten als Symbol dafür, niemals
aufzugeben und immer wieder zu ihrem Ziel zurückzukehren.

- Schmetterlinge und Stubenfliegen schmecken Essen mit den Geschmacksrezeptoren
(Chemonsensilla) an ihren Füssen und Unterschenkeln. Damit die Beine immer sauber sind,
reiben sie sie mehrmals pro Minute aneinander.

- Stalking im Flug - dabei hilft der männlichen Stubenfliege die sogenannte Liebesstelle.
Sie befindet sich in der dorso-frontalen Region ihrer faszinierenden Facettenaugen und hilft
den Männchen während der Luftverfolgung, das Weibchen ihrer Wahl nicht aus den zahl-
reichen Augen zu verlieren.

- Die Fliege ist ein Kosmopolit. Überall wo Menschen leben, sind auch Fliegen heimisch.
Mehr als 120‘000 Fliegenarten bevölkern die Welt.

- Gefahr in Verzug? Fliegen können mit atemberaubender Geschwindigkeit von bis zu
drei Metern pro Sekunde fliehen - das entspricht etwa zehn Kilometern pro Stunde. Dabei
schlagen ihre Flügel zwischen 180 bis 330 Mal pro Sekunde. Auftrieb und Geschwindig-
keit kann die Fliege mit ihren Flügeln steuern. Schwingkölbchen - ein verkümmertes Flügel-
paar – helfen ihr bei der Stabilisierung in der Luft.

- Fliegen sind in der Kriminalistik hilfreiche Watsons. Da sie zuverlässige Erstbesiedler
von Leichen sind, kann dank dem Entwicklungsstadium ihrer Larven der Todeszeitpunkt
ziemlich genau festgelegt werden.

- Fliegen nerven nicht nur, sie machen sich auch nützlich als fleissige Bestäuberinnen von
z.B. Erdbeer-, Brombeer-, Kakao- oder Lauchpflanzen. Und Singvögel schätzen Fliegen als
leckere Protein- und Fettquelle auf ihrem Speiseplan.

- Wieso können Fliegen kopfüber an der Decke laufen? Wie bei Spinnen oder Geckos
wirken bei Fliegen elementare Anziehungskräfte (Van-der-Waals-Kräfte) zwischen den
Molekülen der Oberfläche und denen ihrer Beine. Als kleines Extra verfügen Fliegenbeine
aber noch über feine Härchen, die sogenannten Setae, die selbst Spiderman vor
Neid erblassen lassen. Die Setae sondern eine klebrige Substanz ab und sorgen für zu-
sätzlichen Halt.

- Fliegen bereicherten auch die Kunst des Mittelalters und der frühen Neuzeit. Als Symbol
für Bewegung und Zeit, aber auch für die Vergänglichkeit des Lebens verewigten Maler
gerne Fliegen in ihren Bildern. Sie malten sie dabei so täuschend lebensecht, als könnten
die Fliegen jederzeit aus dem Bild fliegen.


*PPS: Bei den Würzburger Lügensteinen (auch Beringersche Lügensteine) handelt es sich um gefälschte Fossilien aus Kalkstein des mainfränkischen Muschelkalks. Sie wurden Anfang des 18. Jahrhunderts in erheblicher Anzahl von dem Würzburger Professor Johann Beringer (1667–1738) gefunden. Es handelt sich um eine der bekanntesten Fossilienfälschungen in der Geschichte der Paläontologie.
Beringer erkannte erst gegen Ende 1732 den Betrug (ein Stein trug seinen Namenszug), kurz vor Herausgabe seines zweiten Bandes, der daraufhin nicht mehr erschien. Er versuchte im Folgenden, die gesamte Auflage seines Werks zurückzukaufen und liess viele in seinem Besitz befindliche Exemplare vernichten. Die Lügensteine wurden selbst zu begehrten Sammlerobjekten. (Quelle Wikipedia)


PPPS: Movie zum Thema? Der horrible Fliegen-Mutant in der Kurzgeschichte «The Fly» (1957) von George Langelaan und deren berühmter Verfilmung von David Cronenberg (1986) jagt auch heute noch wohlige Schauer über den Rücken.


PPPPS: Unbeschwerte Lektüre zum Thema: ASTERIX UND OBELIX in DIE ODYSSEE. Eine dressierte Fliege übermittelt als reizende Kurierin des Druidenspions Nullnullsix in nullkomanix geheime Botschaften zwischen dem Spion und Cäsars Geheimdienst. (Ein Hinweis auf Seite 8 verrät, dass seither vermehrt Insekten für Spionagetätigkeiten eingesetzt werden (#wanze). Mehr wertvolle Tipps zu Fliegenliteratur finden sich auf Seite 61 in Peter Bauhuis‘ Taschenbuch.