Im FoCus: Gabi Veit – INCANTATA

Gabi Veit
Gabi Veit ist in Bozen geboren, hat in Innsbruck und Venedig Grafik studiert, war Mitbegründerin des Kleinkunsttheaters Carambolage in Bozen und – als wäre das nicht schon genug für ein spannendes und erfülltes Leben – studierte von 2008 - 2011 an der Alchimia in Florenz zeitgenössisches Schmuckdesign. Schon während des Studiums gehörte Wachs zu ihrem bevorzugten Arbeitsmaterial, Metall interessiert Gabi Veit nur als Ergebnis: «Wachs ist unkompliziert, ich benötige dafür keine grosse Werkstatt und zur Not kann ich auch in der Küche* arbeiten». Auch heute noch modelliert Gabi Veit ihre grandiosen Formen am liebsten direkt mit ihren Händen ins weiche, schmiegsame Wachs. Die Spuren des Entwicklungsprozesses lässt sie auch nach dem Giessen des Modells in Metall – bevorzugt Silber – für alle sichtbar stehen. Die Abdrücke ihrer Finger bilden auf ihren Objekten eine lebendige und natürliche Struktur. Das gibt ihren Stücken diesen wunderbar perfekt-unperfekten Charme und macht sie authentisch und unverwechselbar.
Gabi Veit ist quasi in einem riesigen Garten aufgewachsen. Ihre Eltern hatten in Bozen eine Gärtnerei und die Liebe zur Natur ist auch heute noch in all ihren Werken spür- und sichtbar. Ihre bezaubernden Stücke wirken wie eine eigenständige Spezies, die beständig wächst und sich lustvoll weiterentwickelt.

«Ich mache Löffel, die Schmuck sind.»

Als Gabi Veit von einer Reise aus Südamerika zurückkam und einer Freundin ihre mitgebrachten Schätze zeigte, war sie erstaunt, dass ihre Freundin die sieben Löffel, die dabei waren, als Sammlung bezeichnete. Einige Zeit später begann Gabi Veit während eines Schmuckworkshop in Florenz zum Thema «unmögliche Löffel» selbst Löffel zu machen. Wie recht die Freundin doch hatte. Das Löffelfieber hatte Gabi Veit erwischt. Der Beginn einer leidenschaftlichen Beziehung, die bis heute anhält. Gabi Veit sammelt Löffel aus der ganzen Welt. Aber vor allem: Gabi Veit kreiert Löffel! Grosse, kleine, üppige, urtümliche, unmögliche, zauberhafte, eigenwillige, dornige, sattmachende, archaische, durchlässige... Ihre Formen irritieren, machen neugierig und sprengen Vorstellungsvermögen und Komfortzone. Beim Gebrauch verändern sich unsere Sinneswahrnehmung und unser Essverhalten. Denn Löffel ist nicht gleich Löffel. Und niemand interpretiert und fertigt Löffel so wie Gabi Veit: „Jeder Idee geht eine lange Recherche und tiefe Neugierde voraus. Ab einem gewissen Punkt jedoch formen die Dinge sich selbst.“ Es gibt keinen Löffel zweimal. Jedes Stück ist ein Unikat und die fantasievolle Formenvielfalt wächst und entwickelt sich unter Gabi Veits Händen weiter in stetem Fluss. Unterdessen sind ihre Löffel Sammlerstücke mit Suchtpotential. Sammlerstücke, die sich durch das Benützen verändern dürfen und dabei noch schöner werden. Auch das ist einzigartig.

2017 lud das Projekt Steinbeisser zu experimenteller Gastronomie in den Pavillon des Museums Rietberg in Zürich. Das kulinarische Ereignis wurde unter anderem mit den eigenwilligen Löffeln von Gabi Veit genossen. Eine Kundin, die am Essen teilnahm, erzählte mir später ganz begeistert, dass die Löffel gezwungenermassen zu einem Ändern der Essgewohnheiten geführt und die Sinne völlig neu stimuliert hätten. Als zum Dessert dann normale Löffel serviert wurden, hätten das alle sehrsehr langweilig gefunden und wollten unbedingt Gabi Veits «unmögliche» Löffel zurück.

PS apropos Küche*: Seit ich Gabis Kochkünste geniessen durfte, weiss ich, dass bei ihr Augenschmaus und Gaumenschmaus nah beieinander liegen und ihre Löffel Teil eines Gesamtkunstwerks sind.

PPS: Seit 2011 ist Gabi Veit freischaffende Schmuckkünstlerin. Ihre Arbeiten sind in internationalen Schmuckgalerien, Einzel- und Gruppenausstellungen, Museen und in bedeutenden Schmuck-Sammlungen auf der ganzen Welt zu bewundern. In der Schweiz ist eine einzigartige Auswahl bei Friends of Carlotta präsentiert. Ihre wunderschöne Publikation CREATURA GESCHÖPF, von Arnoldsche Art Publishers veröffentlicht, ist ebenfalls bei uns erhältlich.

PPPS: Die Senegalesen bringen es auf den Punkt: Ohne Finger wär die Hand ein Löffel!

PPPPS: ein altes Sprichwort (wahrscheinlich von jemandem, der die Weisheit mit dem Löffel gefressen hat) sagt: Mit der Gabel ist’s ne Ehr, mit dem Löffel kriegt man mehr. Und noch heute hängt in (fast?) jeder Schweizer Bank ganz zuhinterst im Tresor: Ein Löffel voll Glück ist besser als ein Scheffel voll Gold.

PPPPPS: Was ich schon sooo lange wissen wollte: Kann ein Löffel im Flaschenhals der geöffneten Flasche wirklich verhindern, dass die Kohlensäure entweicht? Jein. Wenn die Flasche im Kühlschrank steht, mit einem Silberlöffel im Flaschenhals, wird die wärmere Luft nach Aussen geleitet und so bleibt die Kohlensäure tatsächlich etwas länger in der Flüssigkeit. Der Löffel muss aber in Silber sein, weil Silber die Wärme besser leitet als andere Metalle oder Plastik. Und er muss mit seinem Ende den Flascheninhalt berühren. Leider ist der Effekt trotzdem minimal und funktioniert nur kurz. Tipp der Expert:innen: den Inhalt der Flasche trinken, bevor die Kohlensäure entweichen kann!

PPPPPPS: Irgendwann müssen wir alle den Löffel abgeben. In früheren Zeiten war ein Löffel ein rares Gut, der erst, wenn man ihn selbst nicht mehr brauchte - also nach dem eigenen Tod - weitergegeben oder vererbt wurde. Deshalb wurde sterben mit dem Löffel abgeben umschrieben. Zum Ausdruck «den Löffel abgeben» habe ich auch noch gefunden: Bevor man den Löffel für immer abgibt, sollte man ihn genüsslich ablecken. Und: Wer erst beim Tod den Löffel abgibt, hat nie teilen gelernt.